Problem 1: Wann ist diese Eingabe zu erledigen? Eine Sprachausgabe, die einen informiert, steht ja noch nicht zur Verfügung. Außerdem muss man bei blinden Benutzerinnen und Benutzern doch davon ausgehen, dass der Bildschirm in der Regel nicht benutzt wird. Gibt man am Eingabeprompt nichts ein, startet irgendwann die eigentliche KNOPPIX-Distribution, damit kann ein Blinder (im Defaultzustand!) nun wirklich überhaupt nichts anfangen, da standardmäßig KDE als Windowmanager verwendet wird, für den es derzeit noch keinen Screenreader-Support gibt. Also Eingabe auf gut Glück. Damit wäre die erste Hürde wohl spätestens nach drei Fehlversuchen genommen. Dabei wäre die Lösung einfach. Der gute alte Piepton. Er signalisiert: Jetzt „adriane“ oder „knoppix“ oder sonst etwas eingeben. Diese Information in ein kleine Textdatei oder in der c't abgedruckt und Problem eins wäre erledigt.
Problem 2: Hat man das ADRIANE-System erfolgreich zum Tanz aufgefordert, bleibt die Dame stumm. Der Grund hierfür ist menschlich aber im Bereich Accesability trotzdem fast unverzeihbar: Es wurden notwendige Pakete vergessen, und zwar ausgerechnet die für die Sprachausgabe. Der c't-Artikel weiß hier Rat. Er gibt drei Zeilen vor, die in die Textkonsole einzugeben sind. Blind ist dies jedoch unmöglich, denn der Autor versäumt zu erwähnen, über welche Kurztaste die Textkonsole erreicht werden kann.
Nachdem das System erfolgreich initialisiert wurde (wie auch immer man das ohne Sprache erfahren soll, im Zweifel einfach dann, wenn sich das CD-Laufwerk beruhigt) tippt man als erstes Ziffer 9 und dann die Eingabetaste. Nun muss folgender flotter Vierzeiler eingegeben werden:
wget http://knopper.net/k53update.deb
sudo dpkg -i k53update.deb
adriane-screanreader
exit
Zur Erläuterung:
- Die erste Zeile holt die fehlenden Komponenten von Klaus Knoppers Website. Sie befinden sich in der Paketdatei k53update.deb.
- Die nächste Zeile installiert besagtes Paket und damit die Komponenten
Das dritte Zeilchen startet das Adriane-System mit den nachinstallierten Komponenten neu. - Exit beendet die Textkonsole und bringt Sie in das ADRIANE-Hauptmenü zurück.
Viel Freude beim Richtigtippen.
Leider führte die Nachinstallation bei mir auch nicht zum Erfolg, obwohl ich zum Testen einen Rechner der Spitzenklasse verwendete (IBM Thinkpad), bewahrte mich dies nicht vor dem Umstand, dass die eingebaute Soundkarte nicht funktionierte.
Ich probierte es dann noch auf meiner guten Anna in einer Virtuellen Maschine. Da bekam ich dann keine Netzverbindung zustande. Obwohl das mit anderen Linuxsystemen (Ubuntu und Sidux, OpenSuse) innerhalb der Virtuellen Maschine immer reibungslos lief.
Trotzdem warf ich einen Blick auf die Funktionen. Natürlich verwendet Klaus Knopper Standardsoftware. Als Texteditor, mit dem man u.a. Notizen anlegt, kommt Nano zum Einsatz, als Internetbrowser Elynks, zum E-Mail senden und empfangen wird Mutt benutzt. Diese Idee ist deswegen sehr charmhaft, da diese Programme auf grafischen Schnickschnack verzichten. Trotzdem sind sie sehr mächtig. So beherrscht das E-Mail-Programm Mutt alle gängigen Standards (POP 3 und IMAP). Außerdem kann man beliebig viele Mailkonten anlegen und benutzen.
Allein, es bleibt die Frage: Wie werden diese Programme bedient? Adriane ist so konzipiert, dass es vor allem vom Windowsumsteiger und von EDV-Neulingen benutzt werden kann. Es ist jedoch etwas schwer, richtig loszulegen, da sich die Hilfe beispielsweise komplett darüber ausschweigt, wie der Editor Nano zu bedienen ist. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Programmen. Ein ADRIANE-Handbuch vergleichbar zum sehr hilfreichen Knoppix-Handbuch fehlt leider komplett.
Es gibt also zwei Möglichkeiten:
- Man ist bereits Experte, dann kann man die Software sehr gut bedienen, dürfte aber die ADRIANE-Oberfläche nicht benötigen.
- Man ist kein Experte. Dann benötigt man einen solchen, der einen in die rudimentäre Bedienung von Mutt, Nano und Co. einweist und die Ersteinrichtung übernimmt.
Fazit:
ADRIANE in der vorliegenden Version bietet einen guten Überblick, wohin die Reise zukünftig gehen kann. Es ist aber noch weit davon entfernt, ein einsatzfähiges System zu sein. Insbesondere bedarf es einer gut ausgearbeiteten Dokumentation. Auf die Hilfe sehender Freunde kann man bei diesem pfiffigen Bedienungskonzept nicht hoffen. Es gibt halt einfach nichts "anzuklicken". Allein linuxaffine Nutzerinnen und Nutzer können hier helfen. Wer die nicht kennt, kann momentan das System nicht benutzen, zumal viele Einstellungen noch über Konfigurationsdateien vorzunehmen sind.
Ein letzter Punkt: Wie schaltet man eigentlich den Computer aus, auf dem ADRIANE läuft? Der Menüpunkt „Computer ausschalten“ wäre wirklich ein tolles Feature. Denn woher weiß der Ein- und Umsteiger, dass sie oder er wieder mit 9 in die Textkonsole wechseln muss, um „sudo halt“ einzugeben.